EEG-Neurofeedback-Training


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Die Hierarchie des Gehirns

Artikel über Gehirntraining mit Neurofeedback


Das Gehirn arbeitet "hierarchisch"


Dinge tauchen nicht "einfach nur so" in unserem Bewusstsein auf. Bis etwas in unser Bewusstsein gelangen konnte, durchlief es bereits viele verborgene Verarbeitungsschritte. Der qualitative Unterschied zwischen den verschiedenen Dingen, die in unser Bewusstsein gelangen und unser "Weltbild" prägen, hängt von der Güte der geleisteten Zwischenschritte ab. Das, was wir Bewusstsein nennen, ist nur die Spitze eines riesigen Eisbergs. Jeder Mensch erlebte in seinem Leben schon funktionell bessere und funktionell schlechtere Zustände. Die funktionell besseren Zustände waren das Produkt besserer Vorverarbeitungen, und die funktionell schlechteren Zustände waren das Produkt schlechterer Vorverarbeitungen. Komplizierte Rechenaufgaben bedürfen vieler Zwischenschritte, um zum richtigen Ergebnis zu gelangen. Wenn sich gleich zu Beginn einer Kalkulation Verarbeitungfehler einschleichen oder die Zwischensummen nicht stimmen, bekommen wir trotzdem ein Ergebnis - nur welches? Irgend ein Ergebnis aus tief verborgenen Verarbeitungsschritten taucht immer in unserem Bewusstsein auf - nur welches? Wenn etwas in unser Bewusstsein gelangt und wir sagen, "dieser Zustand fühlt sich gut an" oder "dieser Zustand hilft mir, die Aufgaben meines Lebens besser zu meistern", dann waren die verborgenen Verarbeitungsschritte für diesen Zustand verantwortlich. Der Zustand ist somit das Produkt schon abgelaufener Prozesse - er ist eine Wirkung und nicht eine Ursache.


Jedes System, jede Organisation, Instution, Firma, Administration, Armee usw. verfährt nach dem gleichen (vom Gehirn abgeschauten) Prinzip - der hierarchischen Funktionsweise. Jedes System, jede Organisation, Institution usw. bringt ein "Produkt" hervor. Die Ergebnisse einer Firmenorganisation sind die Produkte, die es hervorbringt, und wir könnten sagen, dass als Nebenprodukt die Beteiligten in der Firmenorganisation ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Das Produkt der hierarchischen Arbeitsweise des Gehirnsystems ist unser Bewusstsein - und in Folge auch unsere Produktivität und Lebensfreude. Die Güte eines Firmenproduktes hängt wesentlich ab von der Arbeitsgüte eines jeden Beteiligten in dem Firmensystem. Um diese Güte zu gewährleisten gibt es spezielle Instanzen wie Vorarbeiter, Manager, Geschäftsleiter und andere Organisatoren jeder Art. Sie sorgen örtlich dafür, dass vorhandene Kompetenzen eingesetzt werden und benötigte Kompetenzen entwickelt werden. Ein fein abgestimmtes Uhrwerk, bei dem jedes Glied seine wichtige Rolle spielt. Nach aussen hin sehen wir nur die ganz oberflächliche Ebene eines Systems - das Endprodukt. Wir sehen nicht, was hinter den Kullissen abläuft. Selbst der Chef des Systems, der das Geschick des Systems scheinbar in seinen Händen trägt und an der "Spitze" der Hierarchie steht, weiss nicht genau, was alles in den unteren Schichten passiert - er sieht vieles einfach nicht, und unter normalen Umständen sollte er es auch nicht sehen, denn es wäre viel zu viel Information, mit der sich schwer umgehen lässt. Je größer und komplexer ein System ist, desto mehr Gültigkeit hat diese Aussage. Wenn das Produkt gut, zuverlässig, passend und nützlich sowohl für das System als auch für die Kunden ist, der in Interaktion mit dem System tritt, dann können wir getrost davon ausgehen, dass die Zwischenschritte gut organisiert und strukturiert waren - oder war es nur "Glücksache"?. Wenn hingegen das "Produkt" eines Systems mangelhaft, unangemessen, nicht gebraucht wird oder einfach schlecht ist, dann können wir davon ausgehen, dass, aus welchem Grund auch immer, die tieferen Hierarchiestufen nicht richtig funktioniert haben - oder war es eventuell nur "Pech gehabt"?. Ich denke hier auch an die Aussage in der Bibel "an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen". Es macht auch gar keinen Sinn, die "Frucht" eines Systems in irgeneiner Weise für dessen Unrichtigkeit verantwortlich zu machen, wo sie doch letztlich nur eine Wirkung und keine Ursache ist. Der Chef oder die obere Instanz eines hierarchischen Systems hat aber eine bestimmte Eigenheit - er kann den Entstehunghintergrund der Frucht zurückverfolgen. Er kann in die "unteren Etagen" gehen, um das vor Ort zu bereinigen, was an der Oberfläche zu einer Störung geführt hat.


Wenn der Chef in die unteren Etagen geht, macht er das hoffentlich nicht in der Absicht, die Arbeit die dort gemacht wird, selber zu übernehmen. Nein, wenn er ein kluger Chef ist, weiss er genau, dass lediglich sein Auftauchen dort seine eigene Wirkung hat. Er macht nicht die Arbeit der Putzfrau/Putzmann - er weiss, sie können es besser als er. Er fängt nicht an, Telefonate zu führen, die eigentlich jemand anderes besser macht als er. Er ist im Detail überhaupt nicht im Bilde. Mag sein, dass er eine Umstrukturierung vornimmt wenn irgendetwas nicht so klappt wie es könnte. Vielleicht wechselt er ein freundliches Wort mit jemandem, der gerade sehr müde zu sein scheint. Vielleicht gibt er einem Störenfried einfach zu erkennen, dass derjenige gesehen und verstanden wird und auch seinen Platz hat. Er verschiebt vielleicht Menschen in andere Aufgabengebiete. Wenn jemand überfordert ist, schafft er Entlastung, wenn jemand unterfordert ist, schafft er neue Herausforderungen. Und er gibt im allgemeinen durch sein "Dortsein" zu erkennen, dass er dankbar ist für die Menschen, die im System ihre Zeit und Kraft für das Ganze einsetzen. Er ist aufmerksam, und er ist ein sorgfältiger Beobachter. Und weil er ein so aufmerksamer und sorgfältiger Beobachter ist, weiss er, wie die Dinge wirklich sind. Er kennt sich, und er kennt die Grundlage, den Fels, auf dem er steht.


Und weil er sich durch das lange Beobachten so gut kennt, kennt er die Menschen, die scheinbar "unter" ihm sind. Er weiss genau, dass er ihr Produkt ist. Er weiss vielleicht nicht, dass die Großmutter der Sachbearbeiterin, die sie so geliebt hat, gerade gestorben ist. Er weiss nicht, dass ein Kind des Gabelstaplerfahrers gerade krank ist. Dass der Lehrling vorübergehend verrückt ist, weil er sich verliebt hat. Oder dass ein Mitarbeiter gerade auf dem Absprung ist in eine ganz neue Herausforderung. Er spürt es alles, ohne die Details wissen zu müssen. Er ist ihre Frucht, in die sie viel investiert haben und weiter investieren möchten - wie die Natur. die so überschwenglich und bedingungslos in ihre Früchte investiert. Sie arbeiten unaufhörlich für ihn, und er arbeitet unaufhörlich für sie - zusammen, und jede Ebene auf ihre ureigene Art doch getrennt. Sie stehen in Bezug zueinander, sie stehen in Referenz zueinander, sie bilden eine Schleife zueinander, sie haben Feedback miteinander. So auch die verschiedenen Gehirnrhythmen. Sie sind einzeln und individuell und dennoch Teil eines großen Zusammenspiels.


Daher ist auch besser zu verstehen warum die Funktion "Aufmerksamkeit" so wertvoll ist. Sie ist etwas sehr, sehr Grundlegendes. Allein schon die Aufmerksamkeit hat die Fähigkeit, ein System immer wieder neu zu organisieren und neu zu strukturieren - selbst ohne dass das System im einzelnen gekannt wird. Aufmerksamkeit hat keine "inhaltliche" oder analytische "Wissenskomponente". Sie ist viel grundlegender, als diese Funktionen der Inhalte. Wissens- oder inhaltliche Komponenten entstehen überhaupt erst dank der Aufmerksamkeit. Wir können z.B. das, was wir Probleme nennen, nur dann sinnvoll angehen, wenn wir bemerkt haben, dass überhaupt ein Problem vorliegt. Vorher sind wir dem Problem einfach vollkommen ausgeliefert und spüren lediglich die Wirkung der Dysfunktion. Warum ist heute das "Aufmerksamkeitsdefizit" in aller Munde? Wir wissen alle, was für eine fundamentale Kraft die Aufmerksamkeit ist, wie sie uns organisiert, strukturiert und uns insgesamt vorwärtsbringt. Wir erahnen es ganz intuitiv, weil so viel für uns davon abhängt.


Wenn der Bewusstseinszustand oder die Erlebensart eines Menschen für ihn selber oder für andere zum Problem geworden ist (sprich: es gibt unerwünschte Symptome), macht es gar keinen Sinn, das Problem auf der letzten oder obersten Ebene der Hierarchie anzugehen, denn auch hier ist es ja lediglich das Produkt vieler schon abgelaufener Prozesse. Das Bewusstsein hat keine Kontrolle über das Präbewusstsein (sonst hätten wir ja bereits alle einen ganz wunderbaren geistigen Zustand!). Wenn wir die Frucht verbessern wollen, müssen wir die Zwischenschritte, die zur Entstehung der Frucht führen, verbessern. Damit wird die Frucht ganz automatisch gebessert, bzw. die oberflächlichen Symptome werden überflüssig gemacht. Das Training mit Neurofeedback setzt genau an diesem Punkt an - an die Optimierung sonst unbewusst ablaufender Prozesse auf den Ebenen, auf denen sie sich befinden. Die Struktur der Gehirnwellen, die wir mit dem EEG messen können, ist ebenfalls hierarchisch, und sie bauen auf einander auf. Jede Hierarchiestufe in der Gehirnfunktion kann einem bestimmten typischen Gehirnwellenmuster zugeordnet werden. Durch das Training bestimmter Wellenmuster wird es dann möglich, vorhandene Struktur- und Organisationsdefizite in tiefer liegenden Schichten zu optimieren.

In hierarchisch organisierten Systemen sind die tiefer liegenden Schichten "einfacher" strukturiert als die darüber liegenden Schichten. Sie sind zwar einfacher aber dennoch komplex in sich. Die Schichten in der Hierarchie übertragen das Produkt ihrer Verabeitung an die darüber liegende Schichten kaskadenförmig als eine Art Destillat. Ihre Prozesse laufen gemäß einfacherer Gesetzmäßigkeiten ab. Darüber liegende Schichten sind auch deshalb komplexer als die darunterliegenden Schichten, weil sie gleichzeitig Destillate vieler darunter liegender Schichten empfangen. Auf unser Firmenmodell oben übertragen, macht z.B. ein Montagearbeiter immer wiederkehrende, recht einfache und gut eingeprägte Handgriffe - er manifestiert gleichzeitig unverzichtbare große spezialisierte Fähigkeiten in dem Bereich, in dem er tätig ist. Sie sind oft zeitlich sehr eng umschrieben, damit hierarchisch höher liegende Schichten rechtzeitig ohne Wartezeiten wiederum ihre Arbeit verrichten können. Die Arbeit des Montagearbeiters spielt also eine enorm große Rolle für die darüber liegenden Schichten. Seine Arbeit ist natürlich auch von der guten Arbeit tiefer liegender Schichten abhängig. Weil tiefer liegende Schichten, von denen er ein Destillat erhält, einfacher strukturiert sind, ist es auch einfacher, eine positive regulierende Wirkung auf sie auszuüben. Die einzelnen Schichten haben in sich ihre eigene Form der Komplexität, Simplizität und Spezialisierung, sind aber grundsätzlich aufsteigend zunehmend komplex (zumindest aus der Warte der darunter liegenden Schicht).

So "sortieren" sich die Mitarbeiter in einer Hierarchie/Firma/Staat/Organisation usw. - nach dem Vermögen des Einzelnen, zunehmend oder abnehmend komplexe Leistungen in bestimmten Bereichen zu vollbringen. Auf das Gehirnsystem übertragen, haben wir es auf ganz fundamentaler Ebene mit der Funktionsweise eines einzigen Neurons zu tun, das entweder abfeuert oder nicht, in einem bestimmten Rhythmus abfeuert oder nicht, oder sich schlicht nach gar keinem geordneten System richtet. So begann alles für uns - mit einem einzelnen Neuron. Wenn wir es also schaffen können, einfache Funktionsweisen oder einfache Bewusstseinszustände im Gehirn zu fördern, bekommen die kausalen tieferen Schichten Gelegenheit, ihre eigene Funktionsweise in aller Ruhe zu optimieren. Das Training mit Neurofeedback ist eine solche Methode und funktioniert genau auf diese Art und Weise.

Wenn wir einmal kurz Dysregulationen auf Gehirnebene betrachten, können wir sie ganz grob in zwei Gruppen einteilen. Auf irgendeiner Ebene wird entweder zu viel oder zu wenig Aufwand betrieben. Entweder ist die Situation in einer bestimmten Struktur oder einem bestimmten Gehirnwellenrhythmus zu stark polarisiert oder schwarz/weiss, oder sie ist zu bunt, um gut gehandhabt werden zu können. Beide Arten der Dysregulation erfordern eine etwas andere Handhabungsweise innerhalb des gleichen Systems. Neuronen verhalten sich ähnlich wie wir Menschen - oder sollte ich lieber sagen: Menschen verhalten sich ähnlich wie Neuronen? Bei Dysregulationen greifen die Ebenen in ungünstiger Weise aufeinander über. Wir helfen einander dann entweder zu viel oder zu wenig. Wir kümmern uns entweder zu viel um Dinge, die uns eigentlich gar nichts angehen, oder zu wenig um Dinge, die uns sehr wohl etwas angehen sollten. Eine ganze Reihe von Verhaltensstörungen lassen sich anhand dieses einfachen Modells recht gut beschreiben. Alles ist eine Frage des richtigen Maßes - die Balance zwischen Enthaltung und Einsatz.

Da tiefer liegende kausale Schichten "primärer" sind, verhalten sie sich im Vergleich einfacher und weniger komplex als höher liegende Schichten. Tiefer liegende oder "primärere" Schichten arbeiten auch mit langsameren Gehirnrhythmen. Schnellere Gehirnrythmen sind die Wellen, die von einer zunehmenden Komplexität zeugen. Daher spielt das Training der primären langsamen Wellen eine bedeutende Rolle für die Ausheilung des dysregulierten Gehirns.







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